Falls Donald Trump die US-Wahl gewinnt, könnten die Zeiten eines engen transatlantischen Verhältnis gezählt sein. Er und seine Anhänger hegen eine Abneigung gegen Deutschland.
Präsidentschaftskandidat Donald Trump: Gewinnt er im November das Amt, würden schwere Zeiten auf Deutschland zukommen
Berlin, Washington. „Für Deutschland war, ist und bleibt die Freundschaft zu den Vereinigten Staaten existenziell wichtig – existenziell sowohl für unsere Sicherheit als auch für unsere Demokratie“, betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Blitz-Besuch des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden in Berlin am Freitag. Das Zusammentreffen war eine Demonstration der großen Bedeutung eines engen transatlantischen Verhältnisses. „Ich weiß nicht, wie Europas und die weltweite Stabilität ohne eine enge Bindung zwischen unseren zwei Ländern erhalten werden könnte“, sagte Biden – und es klang wie eine Mahnung.
Beobachter in Berlin fürchten: Falls der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Wahl im November gewinnt, könnte das nicht nur für Europa allgemein, sondern speziell für Deutschland zum großen Problem werden. Es könnte die transatlantische Freundschaft auf eine neue harte Probe stellen. Denn Trump hegt eine tiefe Abneigung gegen Deutschland, deren Anfänge bereits viele Jahre zurückliegen.
Erst vor ein paar Tagen war es wieder so weit: Trump führte Deutschland in einer Wahlkampfrede im US-Bundesstaat Wisconsin einmal mehr als Negativbeispiel für eine missglückte Energiewende auf. Vom Ausstieg aus der Kohlekraft habe man sich verabschiedet, lautet stets sein Argument: „In Deutschland werden jede Woche neue Kohlekraftwerke gebaut“, behauptete er auf der Bühne.
Eine Unwahrheit – und ein klarer Kontrast zum amtierenden US-Präsidenten. Während Joe Biden Deutschland als „engsten und wichtigsten Verbündeten“ der USA würdigt, schimpfen Trump und hochrangige Vertreter seiner Anhängerschaft im Wochentakt öffentlich und in Gesprächen hinter verschlossenen Türen über die Bundesrepublik.
„Mein Eindruck ist: wenn sich Republikaner im Wahlkampf besonders hervortun wollen, gibt man Deutschland eins auf den Deckel“, sagte ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter, der in der heißen Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs die amerikanische Hauptstadt Washington besuchte.
Skepsis für Trump aus Berlin
Der Populist und Isolationist Trump stieß schon früh auf große Skepsis in Berlin. Kurz nach seinem überraschenden Wahlsieg im Jahr 2016 erreichte ihn ein Telegramm der damaligen Kanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Politikerin schrieb, Deutschland und Amerika seien durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“
Den belehrenden Ton, den die Kanzlerin anschlug, haben die Republikaner nicht vergessen. Erst kürzlich, als Unionspolitiker Gespräche in Washington führten, wurden sie damit konfrontiert, dass Deutschland Trump immer wieder provoziert habe.
Auch die Rede, die Merkel 2019 an der liberalen Eliteuni Harvard hielt und in der sie über die Notwendigkeit sprach, „dass wir Lügen nicht Wahrheiten nennen und Wahrheiten nicht Lügen“, wurde in republikanischen Kreisen als eine offenkundige Spitze gegen Trump aufgefasst.
Die Verärgerung darüber ist noch immer nicht verflogen „Ich mag es nicht, von Leuten belehrt zu werden, die für große Probleme mitverantwortlich sind“, sagte der republikanische Stratege und enger Vertrauter Trumps Elbridge Colby vor ein paar Monaten im Interview mit dem Handelsblatt.
Deutschland als Problemquelle statt Partner
Deutschland gilt in Trumps engsten Zirkel nicht als Partner, sondern als Problemquelle. Während seiner Präsidentschaft warf der Republikaner Deutschland wegen dem damaligen Bau der Nordstream-Pipeline vor, „von Russland kontrolliert“ zu sein. Im Streit um den deutschen Handelsüberschuss mit den USA drohte er mit Zöllen und warf Deutschland Währungsmanipulation vor.
Auch vier Jahre später ist Deutschland Ziel zahlreicher Attacken aus dem Trump-Lager:
Energiewende: In einem Townhall-Interview mit dem US-Sender Fox News kritisierte Trump Deutschland jüngst mehrfach und verteidigte vor hunderten Anhängern im Studio fossile Brennstoffe. „Nehmt Deutschland als Beispiel. Schaut euch an, was mit Deutschland nach nur neun Monaten passiert ist“, sagte er, in Anspielung auf den deutschen Kohleausstieg und die Energiekrise 2022, in der mehrere alte Kraftwerke vorübergehend wieder ans Netz gingen. „Und jetzt wird wieder kräftig gebaut“, so Trump – was nicht stimmt. Ähnliche Behauptungen wiederholte er später beim TV-Duell gegen Kamala Harris. Doch hinter der Kritik stecken handfeste Interessen: Beide Präsidentschaftskandidaten kämpfen um den wichtigen Swing-State Pennsylvania, in dem fossile Energieträger eine wichtige Einnahmequelle sind.
Nordstream 2: Auch beim Thema Russland kommt Deutschland regelmäßig ins Spiel. „Ich habe diese Pipeline, Nord Stream 2, gestoppt“, sagte Trump sowohl in der Fox-News-Townhall als auch im TV-Duell mit Kamala Harris. Er habe Deutschland gesagt, „dass es keinen Grund gibt, euch in der Nato zu schützen, wenn ihr Gas aus Russland bezieht. Ich habe Nord Stream 2 abgeschaltet, es war eine hundertprozentige Abschaltung“. Trump behauptet regelmäßig im Wahlkampf – ebenfalls nicht ganz faktensicher – er habe die Pipeline „gestoppt“, während Joe Biden sie „genehmigt“ habe. Tatsächlich wurde das umstrittene Projekt unter Trump sanktioniert und erst nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine eingestellt.
Autoindustrie in South Carolina, zwingen. „Ich will, dass deutsche Autokonzerne zu amerikanischen Autokonzernen werden“, sagte der Ex-Präsident bei einem Wahlkampfauftritt im hart umkämpften Bundesstaat Georgia. „Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen.“ Wer nicht in den USA fertige, werde sich mit Einfuhrzöllen von bis zu 100 Prozent konfrontiert sehen. Deutsche Autohersteller produzieren teilweise bereits seit Jahrzehnten in den USA: BMWin Alabama und : Im Falle eines Wiedereinzugs ins Weiße Haus will Trump deutsche und andere Unternehmen zum Umzug in die USAMercedesVW in Tennessee. Aber Einfuhrzölle in dieser Größenordnung wären ein Desaster für die Branche. Trump hatte bereits als amtierender Präsident Autozölle vorangetrieben, die Pläne wurden jedoch nie umgesetzt. Im aktuellen Wahlkampf erneuerte er entsprechende Drohungen. „Ich habe Angela [Merkel] konfrontiert und sie gefragt, warum eigentlich keine amerikanischen Chevrolets auf euren Straßen fahren“, sagte er in einem Interview, rückblickend auf seine Amtszeit und die damalige Bundeskanzlerin.
Trump-Vertraute teilen seine Abneigung
In Trumps Umfeld finden sich zahlreiche Mitstreiter, die die Abneigung gegen Deutschland teilen – und Positionen vertreten, die der Bundesrepublik schaden könnten. Etwa J.D. Vance, Trumps „Running Mate“ und möglicher Vizepräsident unter Trump. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wollten zahlreiche hochrangige deutsche Politiker Vance treffen – doch der winkte ab.
Er vertritt Positionen, die den Interessen Deutschlands zuwiderlaufen: so befürwortet er Handelszölle und ist gegen eine Einmischung der USA in ausländische Konflikte. Auch am Schicksal der Ukraine hat er wenig Interesse. „Es ist mir ziemlich egal, was mit der Ukraine passiert“, sagt er.
Dass er so wenig für Deutschland übrig hat, ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass er mit dem Geld des deutschstämmigen Milliardärs Peter Thiel im Jahr 2022 in den Kongress zog. Thiel ist ein früherer Großspender der US-Republikaner und ein Vertrauter von Trump.
» Lesen Sie auch: Wirtschaftssicherheit: Unternehmen und Bevölkerung der EU müssen resilienter werden
Auch Trump-Freund Richard Grenell, der unter Trump US-Botschafter in Berlin war und bereits als möglicher US-Außenminister gehandelt wird, hat ein schwieriges Verhältnis zu Deutschland. Während seiner Amtszeit schaffte er es, sich mit nahezu allen Politikern aller Parteien zu überwerfen. Einzig AfD-Vertreter trafen sich noch gern mit ihm. Sehr unüblich für einen Diplomaten drohte Grenell damals deutschen Unternehmen per Twitter mit Sanktionen und mischte sich mehrfach in die deutsche Innenpolitik ein.
Dass sich auch Jahre später wenig an Grenells Einstellung gegenüber Deutschland geändert hat, zeigte zuletzt seine heftige Reaktion auf einen Tweet des offiziellen X-Kanals des Auswärtigen Amtes. Das Social-Media-Team hatte der Behauptung Trumps widersprochen, dass die deutsche Energiewende gescheitert sei und Deutschland wieder „normale Kraftwerke“ baue. Ausgerechnet Grenell warf der deutschen Regierung „eklatante Wahlbeeinflussung“ vor, „schlimmer als die russische und iranische.“
Auch unter der Biden-Präsidentschaft ging es längst nicht immer harmonisch im transatlantischen Verhältnis zu. Der Demokrat verfolgte während seiner Amtszeit einen protektionistischen „Buy American“-Kurs, der auch in Berlin zeitweise für Irritationen sorgte. Gezielt gegen Deutschland ging die Biden-Regierung dabei allerdings nicht vor – jedenfalls nicht so weitreichend, wie es Trump androht.
Deutschlands Politik als Negativ-Beispiel
Die Ablehnung von Trump gegen Deutschland geht tiefer. In seiner Argumentation ist Deutschland ein Symbol dafür, wie man Politik nicht machen sollte: ob bei Einwanderung, der Energiewende oder der Außen- und Sicherheitspolitik. Er versucht sich damit von Harris abzugrenzen, die die Führungsrolle der USA unter westlichen Verbündeten als positiv und notwendig hervorhebt.
An der republikanischen Basis ist die Wahrnehmung von Deutschland gemischt. Einerseits fangen selbst Hardcore-Trump-Anhänger im Gespräch an zu schwärmen, wenn das Stichwort Deutschland fällt. Viele US-Amerikaner haben gute Beziehungen zu Deutschland. Etwa weil ihre Eltern und Großeltern auf einem deutsch-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt stationiert waren, oder weil sie das Oktoberfest besucht haben.
Gleichzeitig werden die turbulenten politischen Entwicklungen in Deutschland aufmerksam verfolgt: Die Bauernproteste etwa wurden in republikanischen Gruppenchats auf den Nachrichtendiensten Telegram und Whatsapp heiß diskutiert und als Symbol des Widerstands gegen die politischen Eliten gefeiert. Viele US-Rechtskonservative jubelten über das Ergebnis der Europawahlen im Sommer, als rechte Parteien teils deutlich zulegten.
Außenpolitisch ist die republikanische Partei isolationistischer geworden, der Trumpismus hat sich tief eingefressen. Daher muss sich Deutschland auf schwierigere Zeiten selbst dann einstellen, wenn Trump im November verlieren sollte – zum Beispiel bei den Ukrainehilfen, die vom US-Kongress bewilligt werden müssen.
Ein Wahlsieg von Trump würde zweifelsohne das transatlantische Verhältnis jedoch enorm strapazieren. Noch heute bezeichnen deutsche Regierungsvertreter in Washington die Wahl von Donald Trump 2016 zum US-Präsidenten als „Stunde Null”. Schließlich entzweite Trump die USA und Deutschland wie kein Präsident vor ihm.
Vorbereitungen in Berlin
Unter Trump hatten die USA den Konsens zur multilateralen Verständigung aufgekündigt, so drohte Trump regelmäßig damit, die Nato verlassen zu wollen. „Die Zukunft gehört nicht den Globalisten, sondern Patrioten”, bekräftigte Trump bei einer Rede vor den Vereinten Nationen 2019.
» Lesen Sie auch: Trump und Harris wollen Einfluss von China eindämmen
Jetzt fürchtet man in Berlin, dass Trump zwar nicht die amerikanische Nato-Mitgliedschaft aufkündigen würde, sondern das Verteidigungsbündnis von innen heraus schwächen könnte. Zudem besteht die Sorge, dass er versuchen könnte, die Europäische Union zu spalten.
In Berlin geht man dieses Mal pragmatischer mit der Möglichkeit eines Trump-Sieges um als vor acht Jahren. In allen betroffenen deutschen Ministerien bereiten die Beamten schon seit Monaten Strategien vor, wie mit einer zweiten Präsidentschaft des Republikaners umgegangen werden könnte. Dieses Mal will man besser vorbereitet sein.