Besuch bei einem schwierigen Gastgeber: In der Türkei muss Kanzler Scholz Präsident Erdoğan widersprechen, als der Israel einmal mehr Völkermord vorwirft. Auf deutsche Rüstungsexporte haben solche Differenzen keinen Einfluss
Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei ihrem Treffen am Samstag in Istanbul
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Rüstungsexporte an die Türkei verteidigt und sieht auch Fortschritte bei einer möglichen Lieferung von Eurofighter-Kampfflugzeugen. »Die Türkei ist Mitglied der Nato, und deshalb gibt es von uns immer wieder auch Entscheidungen, die zu konkreten Lieferungen kommen«, sagte Scholz am Samstag in Istanbul nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. »Das ist selbstverständlich, und solche Entscheidungen haben wir auch in jüngster Zeit getroffen. Und es wird dabei auch weitere geben«, fügte er hinzu.
Die Bundesregierung hatte jüngst mehr Exporte von Rüstungsgütern in die Türkei als früher genehmigt, woran es wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auch Kritik etwa der Linken und des BSW gibt.
Auf die Frage, ob Deutschland dafür sei, der Türkei auch Eurofighter zu liefern, sagte der Kanzler nur, dass es manche Projekte gebe, »die erst am Anfang stehen«. Beim Eurofighter treibe die britische Regierung die Verhandlungen voran, die nun begonnen hätten. Die Eurofighter werden von einem Konsortium aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien gebaut, vertreten durch die Unternehmen Airbus, BAE Systems.
»Das ist eine Anforderung, die selbstverständlich ist«
Erdoğan nutzte den Besuch von Scholz, um in dessen Anwesenheit Israel erneut vorzuwerfen, im Gazastreifen einen Genozid zu begehen. Er habe mit Scholz über den »Völkermord« in Gaza gesprochen, sagte Erdoğan im Anschluss an ihr Treffen. Erdoğan rief zudem dazu auf, mehr Druck auf Israel auszuüben, damit mehr humanitäre Hilfe in den abgeriegelten Küstenstreifen gelangen kann. Er warf Israel Expansionspolitik vor.
Scholz wies den Völkermordvorwurf Erdoğans zurück. »Deutschland hat nicht die Einschätzung …, dass der Vorwurf des Völkermords gerechtfertigt ist«, sagte er. Er betonte aber, dass zivile Opfer egal auf welcher Seite gleichermaßen beklagt werden müssten. Es dürfe kein geteiltes Leid geben. Der Kanzler betonte, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen, sich dabei aber an das Völkerrecht halten müsse. »Das ist eine Anforderung, die selbstverständlich ist.«
Erdoğan spricht im Zusammenhang mit Israels Kriegsführung im Gazastreifen immer wieder von einem Völkermord. Die islamistische Hamas, die für das Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel verantwortlich ist, bezeichnet er als »Befreiungsorganisation«. Die Türkei hatte sich im August auch einer von Südafrika angestrengten Völkermordklage gegen Israel angeschlossen