Monatelang redete ich mir ein, es sei nichts.
Die leisen Geräusche in der Nacht. Das schleichende Gefühl, beobachtet zu werden. Wie kleine Dinge … anders wirkten. Eine verlegte Fernbedienung. Ein leicht geöffnetes Fenster. Ein Stuhl, der nur ein kleines Stück verschoben war.
Ich lebe allein. Ich arbeite von zu Hause aus. Ich bin vorsichtig.
Also redete ich mir ein, ich würde zu viel nachdenken. Müde. Gestresst. Paranoid.
Bis gestern.
Ich kam spät vom Abendessen mit einer Freundin nach Hause. Sobald ich die Tür öffnete, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Das gesamte Wohnzimmer war verändert worden – unauffällig, aber unübersehbar. Die Couch war verschoben, die Kissen lagen verrutscht, ein Bilderrahmen hing schief an der Wand.
Mir stockte der Atem.
Voller Angst rief ich die Polizei. Sie durchsuchten das Haus von oben bis unten, inklusive Dachboden. Nichts. Keine Einbruchsspuren. Keine Hinweise darauf, dass sich jemand im Haus aufgehalten hatte.
Als sie gerade gehen wollten, hielt ein Beamter inne.
„Gnädige Frau… haben Sie in letzter Zeit Handwerker oder Arbeiter engagiert? Jemand, der Zugang zu Ihrem Haus hatte?“
Ich erstarrte.
Vor sechs Monaten beauftragte ich einen Mann namens Rainer mit dem Einbau neuer Fenster im Obergeschoss. Ruhig, höflich, fast schon unbeholfen. Ich erinnere mich noch gut an seine seltsamen Fragen zu meinem Terminkalender – wie oft ich das Haus verlasse, ob ich verreise.
Damals dachte ich, er würde nur Smalltalk machen.
Nun, ich war mir da nicht mehr so sicher.
Die Beamten konnten aufgrund eines bloßen Verdachts nicht handeln, rieten mir aber dringend zur Installation von Überwachungskameras. Das tat ich sofort. Vordertür, Hintertür, Flur und eine unauffällige Kamera am Treppenaufgang.
In jener Nacht habe ich kaum geschlafen.
Drei Tage später erhielt ich die Benachrichtigung, die meine schlimmste Befürchtung bestätigte.
3:12 Uhr
Bewegung erkannt.
Mit rasendem Herzen öffnete ich den Livestream.
Und da war er.
Ein Mann, der lautlos aus der Dachbodenluke stieg und sich in den Flur hinabließ, als hätte er es schon hundertmal getan. Ruhig. Selbstsicher. Ganz in Schwarz gekleidet.
Er schlich in die Küche, öffnete meinen Kühlschrank, trank direkt aus meinem Orangensaft und verschwand dann wieder auf dem Dachboden.
Ich konnte kaum atmen.
Die Polizei kam sofort zurück. Diesmal fanden sie, was sie zuvor übersehen hatten: Decken, Proteinriegel, Wasserflaschen, ein Prepaid-Handy, sogar einen kleinen Vorrat meiner vermissten Kleidung – alles ordentlich zwischen der Dämmung im Dachboden versteckt.
Er war nicht nur eingebrochen.
Er hatte dort gewohnt.
Sechs Monate lang.
Er wusste, wann ich arbeitete. Wann ich schlief. Wann ich duschte. Wann ich einkaufen ging. Und Gott allein weiß, wie viele Nächte ich nichts davon mitbekam, wie er sich in meinem Haus bewegte, während ich nur wenige Meter entfernt schlief.
Doch der Horror war damit noch nicht vorbei.
Auf dem Wegwerfhandy fand die Polizei Hunderte von Fotos.
Nicht nur mich in meinem Haus – sondern auch draußen.
Fotos von mir beim Gassigehen mit meinem Hund. Beim Einkaufen. An Ampeln. Monatelange Überwachung – viele Aufnahmen entstanden lange bevor ich ihn für die Fensterarbeiten engagierte.
Da erfuhr ich, dass sein richtiger Name nicht Rainer war.
Es war Ellis Druen. Ein verurteilter Stalker, der sich unter gestohlenen Identitäten neu erfunden hatte, von Stadt zu Stadt zog, Hintergrundüberprüfungen umging und immer wieder verletzliche Frauen fand, die er studieren und ausbeuten konnte.
Ich war nicht sein erstes Opfer.
Aber ich war glücklicherweise der Letzte, bevor sie ihn gefasst haben.
Er sitzt jetzt hinter Gittern – und sieht sich mehreren Anklagen gegenüber: Einbruch, Stalking, unrechtmäßige Überwachung und Identitätsdiebstahl.
Und doch, selbst wenn er weggesperrt ist, ist das Schlimmste das, was einem niemand sagt: wie sehr das eigene Sicherheitsgefühl erschüttert wird. Wie fremd sich das eigene Zuhause anfühlt. Wie übertrieben aufmerksam man plötzlich auf jedes Knarren, jeden Schatten achtet.
Wochenlang konnte ich nicht allein schlafen. Ich wohnte bei meiner Cousine Siara und ließ mein Haus unter strenger Polizeiaufsicht leer stehen.
Schließlich habe ich es zurückbekommen.
Ich habe neu gestrichen. Ich habe umgeräumt. Ich habe Mozzie adoptiert – einen großen, lauten, überfürsorglichen Hund aus dem Tierheim, der alles anbellt, was sich bewegt. Und ich habe mich meinen Nachbarn vorgestellt, besonders Frau Fern von gegenüber – einer pensionierten Lehrerin mit Fernglas und scharfem Blick, die jetzt wie ein Luchs auf mich aufpasst.
Das Schwierigste war nicht der Austausch der Schlösser oder die Installation der Kameras.
Am schwierigsten war es, wieder auf meine Instinkte zu vertrauen.
Denn ich weiß jetzt Folgendes: Wenn dein Bauchgefühl dir sagt, dass etwas nicht stimmt, dann hör darauf.
Auch wenn es sich albern anfühlt. Auch wenn die Leute die Augen verdrehen.
Weil ich nicht paranoid war.
Ich wurde gejagt.
Und auf diese innere Stimme zu vertrauen – auch wenn es Monate später geschah – hat mir möglicherweise das Leben gerettet.
Wenn dich diese Geschichte berührt oder dein Sicherheitsgefühl infrage gestellt hat, teile sie. Denn jemand in deinem Umfeld könnte diese Erinnerung heute brauchen.
Pass auf dich auf. Vertrau deinem Bauchgefühl.




