Erste hingerichtete Frau seit fast 70 Jahren: Der Fall Lisa Montgomery und die Debatte über die Todesstrafe
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Am 13. Januar 2021 wurde Lisa Montgomery im US-Bundesstaat Indiana durch eine tödliche Injektion hingerichtet. Damit war sie die erste Frau seit fast sieben Jahrzehnten, die von der US-Bundesregierung exekutiert wurde. Der Fall erregte nicht nur wegen der Schwere des zugrunde liegenden Verbrechens große Aufmerksamkeit, sondern auch wegen der Fragen, die er in Bezug auf psychische Gesundheit, Menschenrechte und die Todesstrafe aufwarf.
Hintergrund des Falls
Lisa Montgomery wurde 1968 in Kansas geboren und wuchs unter schwierigen Bedingungen auf. In späteren Gerichtsverfahren wurde deutlich, dass sie in ihrer Kindheit und Jugend erhebliche traumatische Erfahrungen gemacht hatte. Mehrere Sachverständige wiesen auf jahrelangen Missbrauch und Gewalt hin, die tiefe Spuren in ihrer Entwicklung hinterließen.
Im Dezember 2004 wurde Montgomery wegen einer schweren Straftat verhaftet. Kurz darauf begann einer der komplexesten Prozesse der letzten Jahre im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen. Die Frage, ob sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war, prägte die gesamte juristische und gesellschaftliche Diskussion.
Juristischer Verlauf
Im Jahr 2007 sprach eine Jury sie schuldig und verhängte die Todesstrafe. Schon damals gab es eine intensive Debatte über die Angemessenheit dieses Urteils. Kritikerinnen und Kritiker argumentierten, dass Montgomery an schweren psychischen Erkrankungen litt, die nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
In den folgenden Jahren versuchten ihre Anwälte mehrfach, die Strafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe umzuwandeln. Sie führten Gutachten von Psychiatern und Psychologinnen an, die strukturelle Schädigungen ihres Gehirns sowie Symptome von Psychosen und posttraumatischen Belastungsstörungen belegten. Dennoch blieben die Berufungen erfolglos.
Gesellschaftliche Diskussion
Der Fall Lisa Montgomery rückte die Todesstrafe in den USA erneut ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Insbesondere Menschenrechtsorganisationen und medizinische Fachverbände äußerten sich besorgt. Sie wiesen darauf hin, dass die Hinrichtung einer Person mit nachweislich schwerwiegenden psychischen Erkrankungen nicht nur rechtlich problematisch sei, sondern auch moralische und ethische Fragen aufwerfe.
Unterstützerinnen und Unterstützer des Urteils wiederum betonten die Schwere der Tat und verwiesen auf die Verantwortung gegenüber den Opfern und deren Familien. Für viele Menschen war die Strafe ein Symbol für Gerechtigkeit, während andere darin ein Beispiel für ein unflexibles Rechtssystem sahen.
Internationale Reaktionen
Auch außerhalb der Vereinigten Staaten wurde der Fall aufmerksam verfolgt. Zahlreiche europäische Staaten, die die Todesstrafe längst abgeschafft haben, kritisierten die Hinrichtung. Die Europäische Union betonte, dass die Todesstrafe gegen grundlegende Menschenrechte verstoße. Amnesty International und Human Rights Watch forderten die US-Regierung auf, Exekutionen generell einzustellen.
Psychische Gesundheit im Fokus
Ein zentrales Thema war die Frage, wie psychische Erkrankungen in Gerichtsverfahren berücksichtigt werden sollten. Viele Expertinnen und Experten machten darauf aufmerksam, dass das US-amerikanische Justizsystem häufig nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Menschen mit schweren Traumata eingehe.
Der Fall verdeutlichte, dass es dringend notwendig sei, einheitliche Standards zu schaffen, um die geistige Zurechnungsfähigkeit besser zu prüfen. Kritiker warfen den Gerichten vor, zu wenig Rücksicht auf medizinische Gutachten genommen zu haben.
Historische Dimension
Die letzte Frau, die von der US-Bundesregierung hingerichtet wurde, war Bonnie Heady im Jahr 1953. Dass es nun nach fast 70 Jahren wieder zu einer solchen Exekution kam, unterstreicht die historische Tragweite des Falls.
Darüber hinaus fiel Montgomerys Hinrichtung in eine Zeit, in der die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten bereits stark umstritten war. Zwischen 2003 und 2020 fanden auf Bundesebene keine Hinrichtungen statt. Erst unter der Regierung von Donald Trump wurde diese Praxis wieder aufgenommen.
Ethische Fragen und Zukunft der Todesstrafe
Die Hinrichtung von Lisa Montgomery hat eine erneute Welle von Diskussionen ausgelöst:
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Sollten psychische Erkrankungen grundsätzlich ein Ausschlusskriterium für die Todesstrafe sein?
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Welche Rolle spielt das Recht auf Menschenwürde im amerikanischen Strafvollzug?
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Ist die Todesstrafe überhaupt noch zeitgemäß in einer modernen Demokratie?
Viele Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen fordern inzwischen, dass die Vereinigten Staaten der internationalen Entwicklung folgen und die Todesstrafe vollständig abschaffen. Andere sehen in ihr weiterhin ein notwendiges Mittel zur Abschreckung und zur Wahrung von Gerechtigkeit.
Fazit
Der Fall Lisa Montgomery ist weit mehr als eine juristische Episode. Er steht exemplarisch für die tiefen Widersprüche im amerikanischen Strafrechtssystem und verdeutlicht die Spannungsfelder zwischen Gerechtigkeit, psychischer Gesundheit und Menschenrechten.
Ob man die Todesstrafe befürwortet oder ablehnt – dieser Fall zwingt uns, darüber nachzudenken, wie eine Gesellschaft mit Menschen umgehen sollte, die sowohl schwere Verbrechen begehen als auch selbst Opfer tiefgreifender Traumata sind.
Lisa Montgomerys Name wird deshalb nicht nur als die erste Frau seit fast 70 Jahren, die von der US-Regierung hingerichtet wurde, in die Geschichte eingehen, sondern auch als Auslöser einer Debatte, die bis heute anhält.