Ende April 1945, als die Alliierten tief in das Gebiet des untergehenden Dritten Reiches vordrangen, erreichten amerikanische Truppen unter General Patton das Konzentrationslager Dachau. Die Befreiung erfolgte am 29. April 1945 und offenbarte der Welt das ganze Ausmaß der Grausamkeit, die sich hinter den Lagertoren verbarg. Eines der eindrucksvollsten Bilder aus dieser Zeit zeigt einen jungen Mann – wahrscheinlich ein ehemaliger Häftling – wie er die eintätowierten Nummern auf den Armen jüdischer polnischer Gefangener kontrolliert, die zuvor aus Auschwitz nach Dachau überstellt worden waren. Dieses Bild steht sinnbildlich für das Grauen, aber auch für das Überleben und die Menschlichkeit, die selbst unter unmenschlichen Bedingungen nicht ganz ausgelöscht werden konnte.
Dachau war das erste Konzentrationslager, das von der SS bereits im März 1933 – nur wenige Wochen nach Hitlers Machtübernahme – errichtet wurde. Reichsführer-SS Heinrich Himmler kündigte am 20. März 1933 offiziell die Errichtung des Lagers an, das ursprünglich für politische Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten gedacht war. Doch bald entwickelte sich Dachau zu einem Modell für das gesamte Lagerwesen der Nationalsozialisten. Zwischen 1933 und 1945 wurden mehr als 200.000 Menschen in Dachau und seinen zahlreichen Außenlagern inhaftiert – darunter Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Geistliche, Widerstandskämpfer und Kriegsgefangene. Laut offiziellen Zahlen starben mindestens 31.591 Menschen im Lager – ohne Berücksichtigung der zahlreichen Toten während der Todesmärsche im April 1945.
Im letzten Kriegsjahr verschlechterten sich die Zustände dramatisch. Insbesondere ab Dezember 1944 kam es zu einem massiven Anstieg der Häftlingszahlen, da viele andere Lager – wie Auschwitz – angesichts der nahenden Roten Armee evakuiert wurden. Viele Überlebende dieser Evakuierungen kamen in Dachau an – geschwächt, krank und traumatisiert. Mit ihnen kam auch eine verheerende Typhus-Epidemie, die sich rasch im völlig überfüllten Lager ausbreitete. Als die US-Truppen das Lager befreiten, fanden sie nicht nur Leichenberge und ausgemergelte Überlebende vor, sondern auch einen medizinischen Notstand.
Um die Seuche einzudämmen, verhängte die US-Armee nach der Befreiung eine strikte Quarantäne, die bis zum 25. Mai 1945 andauerte. Trotz medizinischer Hilfe und humanitärer Maßnahmen starben in den Wochen nach der Befreiung noch etwa 2.500 Menschen – allein zwischen dem 29. April und dem 16. Juni 1945, wie eine französische Gedenkorganisation dokumentierte.
Die Szene, in der der junge Mann die tätowierten Nummern überprüft, ist besonders eindrucksvoll: Sie verdeutlicht die Identitätsberaubung, die das Regime systematisch betrieb, indem es Menschen auf Nummern reduzierte. Gleichzeitig zeigt es den menschlichen Drang, Ordnung wiederherzustellen – die Erinnerung an Namen, an Leben, an Würde. Jeder dieser tätowierten Arme war Teil eines Lebens, das nie vergessen werden darf.
Heute steht Dachau als Mahnmal – ein Ort der Erinnerung und der Aufklärung. Die Geschehnisse dort lehren uns, wohin Hass, Fanatismus und Gleichgültigkeit führen können. Sie fordern uns auf, wachsam zu bleiben – gegenüber jeder Form von Menschenverachtung, auch in unserer Zeit.