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Deutschlands letzte Reserven: Polizisten, Parteimitglieder, Kinder und Ungarn. 1945

„Wir wurden in der ehemaligen Infanteriekaserne in der Linsingstraße, mitten in der Stadt, untergebracht und dort in der Panzervernichtung aus nächster Nähe sowie im Gebrauch der Panzerfaust und des Panzerschrecks ausgebildet. Der Kader bestand aus „alten Kriegern“ der Bodentruppen.
Die unteren Ränge waren fast ausschließlich Rekruten der Stettiner Reserveeinheit und der SS-Truppen. Es war eine eng verbundene Gruppe, in der sich jeder gegenseitig zurückhielt und deshalb erfolgreich untereinander agierte.
Als die Russen sich Altdamm näherten, war die Stadt bereits leer. Alles, was nicht für den Bau von Befestigungsanlagen geeignet war, war herausgenommen worden. An allen Ausgängen der Stadt standen Feldgendarmerieposten; sie halfen, alle Zivilisten in Autos zu bringen, wo noch Platz war. Die Menschen ertrug ihr Schicksal ruhig, es gab keine Panik.
Da sich die Russen an der Groß-Regnitz, einem der Nebenflüsse der Oder, niedergelassen hatten, war Stettin galt als Frontzone. Von den Podejukh-Höhen aus konnten die Russen die ganze Stadt überblicken. Die Artillerieaufklärer nutzten dies aus, und mehrmals fielen Splitter von 17,2-Millimeter-Granaten (wahrscheinlich 15,2 mm) auf unsere Kaserne und hinterließen große Löcher im Dach.

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Da unsere Kaserne ohnehin von einer anderen Einheit belegt werden sollte, zogen wir mit unserem gesamten Gepäck in die Kaserne des Schützenregiments 5 am westlichen Stadtrand von Stettin.
Es waren schon sehr viele Menschen hier, die letzten Reserven Deutschlands: Polizisten mit schweren Infanteriewaffen, Menschen in Partei- und Flugabwehruniformen mit leichten Schusswaffen und Nahkampfwaffen.
In den Garagen war ein Konvoi einer ungarischen Einheit untergebracht. Es war kein Kampfgeist mehr da, dafür aber ganze Ballen Tabak, die diesen Kampfgeist gestärkt haben.
Direkt hinter der Kaserne waren Arbeitstrupps damit beschäftigt, Panzergräben auszuheben, die vom Übungsgelände zwischen der Kaserne und dem Dorf Krekow über freies Feld in Richtung Stettin-Scheune verliefen. Diese Panzergräben bildeten den westlichen Abschnitt der Verteidigung und die Rückseite der Festung.
Weiter westlich, in Braunsfeld, waren an Kreuzungen und Weggabelungen schwere Panzerabwehrkanonen in den Boden eingegraben. An der Weggabelung nach Krekov und Vamlitz befand sich ein kleiner Betonbunker mit einer solchen Panzerabwehrkanone. Russische Panzer hätten die Stadt nicht ungehindert von der Rückseite erreichen können.            Die Ausbildung der neuen Rekruten wurde auf dem Exerzierplatz Krekov fortgesetzt, einem großen Übungsgelände der Stadtgarnison. Ein stark ramponierter T-34-Panzer diente uns als Zielscheibe für Schießübungen mit Panzerfaust und Panzerschreck.            Eines Tages hatte der Kommandant der Festung Gelegenheit, sich persönlich vom Stand unserer Ausbildung zu überzeugen. Offenbar erfreut machte er uns klar, dass wir seine „Heimatarmee“ seien. In den darauffolgenden Tagen wurden Soldaten unserer Einheit immer wieder zu Sonderaufgaben, unter anderem auch zur Patrouille, herangezogen.            Bei einem dieser Einsätze musste ich zum ersten Mal seit Langem wieder zu Fuß durch die Innenstadt gehen. Wie sich hier alles verändert hat! Der Hauptplatz, das Herz der Stadt und der Stolz der Stettiner, war völlig mit Dachziegelstücken und Glasscherben übersät.            Fast alle Straßen waren aufgerissen. Die Schützengräben erstreckten sich vom Paradeplatz bis zum Königlichen Tor, vorbei an der Konzerthalle und weiter durch Parks und Plätze.           Eine bronzene Reiterstatue Kaiser Wilhelms schaute dem Ganzen gleichgültig zu. Daneben befand sich das jedem in Stettin eingesetzten Soldaten bekannte „Café Willi“, das allerdings keine Glasfassade mehr hatte und nicht mehr so ​​glänzend war wie früher.            Weiter entlang der Oder erstreckte sich zwischen den beim englischen Bombardement zerstörten Häuserzeilen ein verzweigtes System von Stellungen, die noch nicht von Truppen besetzt worden waren, da die Hauptkampflinie noch immer entlang der Groß-Regnitz verlief. An der Oderbrücke seien bereits Sprengladungen angebracht, um sie notfalls sprengen zu können.

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Auf den Straßen ist keine Menschenseele zu sehen. Diese Leere bedrückt mich, denn ich erinnere mich an diese Orte, als dort noch das Leben pulsierte. Im Zentrum ist überhaupt niemand und es gibt auch keinen Grund, dort zu erscheinen: Hier wacht die Feldgendarmerie – und Ivan, der von Zeit zu Zeit Minen nach uns wirft.
Im großen Gebäude des Getreidelagers, das von den Hafengebäuden übrig geblieben ist, sitzt unser Artilleriefeuerbeobachter: Durch sein Stereoteleskop überblickten wir einmal die Gegend vor dem nächsten Einsatz. Sogar der Hafen ist leer. Auch das Polizeiboot stört die Ruhe auf der Wasseroberfläche nicht.            Am Abend des 22. April befand sich unser Panzerabwehrteam bei der Zuckerfabrik Stettin-Scheune. Zwei Gruppen begaben sich sofort in das Kampfgebiet. Als sie am nächsten Tag zurückkamen, berichteten sie, dass es ihnen gelungen sei, einen Panzer mit dem „Offenrohr“ außer Gefecht zu setzen.           Nun waren die restlichen Teams an der Reihe, sich in die vorderste Front zu begeben, um im Bedarfsfall dort vor Ort zu sein, wo die Gefahr eines Panzerdurchbruchs bestand. Unser gesamtes Panzerabwehrteam machte sich bald auf den Weg dorthin.           Das offene Gelände zwischen Güstrow und Kurow war durch Gräben zerschnitten. Dies war das ausgewiesene Gebiet, das wir am Morgen des 23. April betraten.           Kurz darauf begannen Panzer zu schießen, was wir wegen des Zauns jedoch nicht sehen konnten. Dem Schussgeräusch nach zu urteilen, handelte es sich um Stalinpanzer. Die russischen Vorauskommandos führten verstärkte Aufklärungsaktionen durch. Ihr Angriff wurde abgewehrt. Am selben Tag drangen russische Panzer viel weiter südlich ein.            Am Nachmittag des 25. April waren in der Stadt hinter uns heftige Explosionen zu hören. Unsere Artillerie feuerte wie nie zuvor. Granaten heulten, als sie an unseren Köpfen vorbeiflogen. Wir gingen davon aus, dass die Russen eine neue Großoffensive gestartet hatten. Zu sehen war allerdings nichts.            Ich fragte den vorgeschobenen Beobachter, der auf dem Wall des Schießstandes postiert war, was los sei. Von ihm erfuhr ich, dass der Befehl gegeben worden war, die restliche Munition vollständig oder fast vollständig zu verschießen. Ältere Frontsoldaten haben das schnell herausgefunden.            Am Abend kam dann die Bestätigung: Wir drehen um 23.30 Uhr! Alles, was nicht mitgenommen werden konnte, wurde vernichtet. Stettin wurde aufgegeben. Zur vereinbarten Zeit kehrten wir zur Zuckerfabrik zurück.            Einerseits waren wir froh, der unvermeidlichen Einkesselung entgangen zu sein, andererseits war uns klar, dass mit der Aufgabe der Oderfront auch die letzte Hoffnung auf ein Vordringen der Westmächte bis an die Oder verschwunden war.            Die von uns arrangierte Kanonade machte die Russen nervös und ihre Artillerie begann sofort mit dem Beschuss von Stettin. Viele Häuser gerieten in Brand.            Am Sammelplatz wurden sämtliche Panzerfäuste, Waffen und Munition auf einen Handkarren verladen. Damit begann für uns ein langer Nachtmarsch. Das Endziel war Löcknitz. Dahinter, vor der Kulisse eines blutroten Himmels, lag Stettin.

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Die Straßen waren mit Fahrzeugen aller Art voll. Plötzlich tauchte über uns ein „Nachtrabe“ auf, ein russischer Nachtbomber alten Typs, und auf der Straße brach Panik aus.
Alle stürmten in den Straßengraben. Bomben fielen vom Himmel. Einer traf den Handkarren direkt und sämtliche Panzerfäuste explodierten. Wir begruben hastig zwölf unserer Kameraden auf einem nahegelegenen Feld.
Der jüngste von ihnen, Wolf, der Sohn eines Lehrers aus Ostpreußen, war 14 Jahre alt. Er und sein Freund haben sich unserem Team in Stettin angeschlossen. Wir wollten sie zunächst nicht aufnehmen, aber sie haben es trotzdem geschafft, Soldaten zu werden. In den Morgenstunden des 26. April erreichten wir schließlich Löcknitz.            Nach einem ermüdenden Marsch von Stettin versammelte sich Kloses Panzerabwehrtrupp in der Nähe von Löcknitz. Die „Ivans“ erschienen nach Mittag. Gegen Abend bereitete sich unser Team zusammen mit einer Marscheinheit auf den Gegenangriff auf den Bahnhof Löcknitz an der Muna-Bahnlinie vor.            Der Feind war stärker. Leutnant Klose und ein Teil der Mannschaft gerieten beim Kampf um die Station in Gefangenschaft. Unser Team hat aufgehört zu existieren.            Es gibt keinen Kommandanten. Die Inspiration ist verflogen. Die Kameraden zerstreuten sich. Aus dem undurchdringlichen Wald rechts und links sind Schreie und Kampfgeräusche zu hören. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten die bedauernswerten Überreste der Truppe wieder die Autobahn und schlossen sich den nach Westen ziehenden Kolonnen an. Einer meiner Kameraden und ich setzten unseren Rückzug nach Pasewalk fort.             Vor der Stadt schlüpften wir in eine Scheune, um endlich etwas Schlaf zu bekommen. Aber der Tumult um uns herum brachte uns wieder auf die Beine. Getreu unserem Eid meldeten wir uns bei einem der Sammelpunkte, von wo aus wir weiter nach Straßburg geschickt wurden.            In Straßburg gab es keinen Sammelpunkt mehr. Und wo es keine Sammelplätze gibt, heißt es untertauchen und sich dem allgemeinen Strom anschließen. Es sind wieder mehr Autos mit Flüchtlingen auf den Straßen zu sehen.           Einen Teil der Strecke legten wir in einem Armeelastwagen zurück, der uns abholte. Doch dann geriet die Bewegung ins Stocken. Panzerabwehrhindernisse behinderten die Bewegung.            So erreichten wir Voldek. Dort meldeten wir uns beim Sammelplatz, das war immerhin besser, als in die Fänge der Kettenhunde (Feldgendarmerie) zu geraten. Ich wurde zusammen mit mehreren anderen Soldaten, die hinter ihren Einheiten zurückgeblieben waren, zur Verteidigung der Panzerabwehrstellungen am östlichen Stadtrand von Woldeck geschickt. Unseren Soldaten wurden am Sammelplatz die Bücher abgenommen.            Woldek war ständig Angriffen feindlicher Kampfflugzeuge ausgesetzt. Überall fielen Bomben, alles klapperte und zersprang in Granatsplitter. Es waren keine Anwohner zu sehen.            Zwischen den Häusermauern begegnete man lediglich Nachzüglern. Einer von ihnen gehörte, wie ich, zu Kloses Panzerabwehrtrupp. Aber selbst die Freude über diese Begegnung konnte ihn nicht dazu zwingen, die Reste seines Vaterlandes zu verteidigen.

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Am Abend des 27. April tauchte auf dem Hügel vor unserer Stellung die Mündung einer Panzerabwehrkanone auf – das war das erste schwere Gerät, auf das ich während des Rückzugs stieß.
Die Nacht verlief friedlich. Die „Ivans“ schossen nur gelegentlich. Am Morgen des 28. April wurden wir abgelöst. Der Sammelplatz wurde verlegt. Die Bücher unserer Soldaten blieben Gott sei Dank erhalten. Von diesem Moment an beschlossen wir, uns auf Urlaub zu begeben und setzten unsere Reise Richtung Westen fort.“ – Aus den Erinnerungen des Gefreiten F. Kapiske von der Panzerabwehrtruppe der Garnison Stettin.

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