Die Mieten in den Städten sind stark gestiegen und werden zu einer immer größeren Belastung für viele Haushalte, so das Ergebnis verschiedener Analysen. Was die Situation entschärfen könnte
Wohnhäuser in Berlin: In der Hauptstadt ist der Wohnungsmangel besonders groß
Frankfurt. Die hohen Mieten in den Städten sind für viele Haushalte eine enorme finanzielle Belastung. Wie groß sie ist, darauf weist das Trendbarometer der Aareal Bank hin: 83 Prozent der Mieterinnen und Mieter sehen im hohen Mietzins und dem Wohnungsmangel ein Problem für das soziale Miteinander in Deutschland.
Für Lars Ernst, Leiter des Segments Banking & Digital Solutions bei der Aareal Bank, ist das ein klares Alarmsignal: „Unsere Umfrage zeigt deutlich, dass das Thema bezahlbarer Wohnraum immer mehr Mieterinnen und Mieter umtreibt und derzeit eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen ist.“
Für die repräsentative Umfrage im Auftrag des Wiesbadener Immobilienspezialisten, die Handelsblatt Inside Energie & Immobilien vorab vorliegt, hat Yougov im Juni 5042 Mieterinnen und Mieter befragt. Ernst folgert aus deren Ergebnis: „Es besteht akuter Handlungsbedarf.“
Mehr sozialer Wohnungsbau und höheres Wohngeld könnte helfen
Schließlich haben sich Angebotsmieten hierzulande zwischen 2010 und 2022 im Schnitt um 50 Prozent verteuert, in den großen Städten sogar um 70 Prozent, heißt es in einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vergangene Woche veröffentlichte. Der Anteil der überlasteten Haushalte, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen, sei in den vergangenen 30 Jahren von fünf auf 14 Prozent gestiegen.
„Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zur sozialen Frage, da die unteren Einkommensgruppen eine überproportional hohe Mietbelastung tragen“, sagt Studienautor Konstantin Kholodilin. Auch er sieht Handlungsbedarf: „Hier ist die Politik gefragt, mit gezielten Instrumenten für Ausgleich zu sorgen und den Einkommensschwachen unter die Arme zu greifen.“ Für Entlastung könnten mehr sozialer Wohnungsbau und kurzfristig eine Erhöhung des Wohngeldes sorgen, so die Studienautoren.
Eine Veränderung zum Positiven erwartet Lars Ernst kurzfristig nicht: Auf absehbare Zeit würden nicht ausreichend Wohnungen gebaut, um dadurch für Entlastung in angespannten Wohnungsmärkten zu sorgen. Bestätigt sieht er sich in der kontinuierlich sinkenden Zahl der Baugenehmigungen.
Allein in Berlin fehlen mehr als 30.000 Wohnungen pro Jahr
Wie groß der Wohnungsmangel in Deutschland ist, verdeutlicht eine Anfang Oktober veröffentlichte Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Danach müssten pro Jahr 372.600 Wohnungen entstehen, um den Bedarf zu decken. Allein in den sieben größten deutschen Städten fehlen in diesem und im kommenden Jahr jeweils 72.000 Wohnungen – die meisten in Berlin mit je 31.300 Einheiten, die wenigsten in Köln mit jeweils 7500.
Auch IW-Immobilienökonom Ralph Henger fordert deshalb gezielte Maßnahmen der Politik, damit sich das Problem nicht weiter verschärft:
Die deutlichen Steigerungen bei den Baukosten und in der Folge auch bei den Mieten in den vergangenen zwei, drei Jahren sind für Ernst einer der Gründe für die niedrige Umzugsbereitschaft, gerade in den Städten. Hinzu komme, dass der Kauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses für viele „derzeit keine Option ist“. Eine niedrige Eigentumsquote sorgt dafür, dass der Bedarf an Mietwohnungen hoch bleibt.
Der Kauf einer Wohnung ist für viele Mieter keine Option
So wollen laut der Umfrage der Aareal Bank 56 Prozent der Mieter auf absehbare Zeit kein Eigentum erwerben. Innerhalb der nächsten zwölf Monate planen lediglich vier Prozent den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung, weitere acht Prozent innerhalb der nächsten drei Jahre.
Jeweils rund 30 Prozent der Befragten gaben an, dass der Wegfall der Grunderwerbsteuer, eine Reduzierung der Kaufnebenkosten sowie eine Senkung der Baukosten durch weniger Vorschriften und Vorgaben effektive Maßnahmen sein können, um den Immobilienkauf attraktiver zu machen.
Neben dem Wohnungsmangel sorgt aus Sicht von 70 Prozent der befragten Mieter die energetische Sanierung dafür, dass sich das Angebot an bezahlbaren Wohnungen verringern wird. Deshalb müssten Wohnungsgesellschaften und Mieter bei dem Vorhaben, bis 2045 die Klimaziele zu erreichen, entlastet werden, fordert Ernst. Hier sei auch die Politik gefordert, die regulatorischen Rahmenbedingungen zu verbessern.
Dafür dürfe der Fokus nicht ausschließlich auf der Energieeffizienz der Gebäudehülle liegen. Eine grüne Wärmeversorgung, zum Beispiel durch CO2-neutrale Fernwärme in den Städten, könne auch den CO2-Ausstoß der Gebäude signifikant reduzieren, so Ernst. Dafür benötigten sie nicht zwangsläufig den höchsten energetischen Standard, den Eigentümer und in der Folge auch Mieter dann nicht finanzieren müssten.
Wohnungsbranche muss effizienter und digitaler werden
Immerhin sehen sich rund 40 Prozent der 153 Entscheider aus der Wohnungswirtschaft, die im August ebenfalls für das Trendbarometer der Aareal Bank befragt wurden, gut aufgestellt, um nachhaltige Gebäude anzubieten. Ernst wertet das positiv. „Die Wohnungswirtschaft ist bereit, ihren Teil zur Lösung beizutragen.“ Handlungsbedarf sieht er zum Beispiel bei den Themen Effizienzsteigerung und Digitalisierung. Hier gelte es, auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel in der Branche, mehr zu tun.
Gleichzeitig kommt auch aus der Branche der Ruf nach Unterstützung seitens der Politik: Die überwiegende Mehrheit der Befragten fordert, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen (86 Prozent), klare und einfache regulatorische Rahmenbedingungen und mehr Planungssicherheit (81 Prozent) sowie niedrigere Baustandards (69 Prozent).
Vielen Mietern ist eine energieeffiziente Wohnung wichtig
Immerhin der Hälfte der befragten Mieter ist eine energieeffiziente Wohnung, zum Beispiel mit einer energiesparenden Heizung und gut isolierten Fenstern, wichtig. Dafür würden 29 Prozent eine Mietsteigerung um ein bis fünf Prozent akzeptieren, weitere 13 Prozent sogar bis zu zehn Prozent mehr zahlen. Allerdings würden oder könnten sich auch 44 Prozent der Mieter gar keine Mieterhöhung leisten.
Andersherum wären 38 Prozent der Mieter bereit, selbst Geld in die Hand zu nehmen, um ihre Wohnung energetisch aufzuwerten, wenn ihr Vermieter im Gegenzug die Miete langfristig nicht erhöht. 43 Prozent würden sich darauf nicht einlassen.
Ein Punkt könnte laut dem IW Köln immerhin auf längere Sicht zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen: Ab 2026 bedarf es statt der 372.600 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr nur rund 257.400 – ein Rückgang um fast ein Drittel.