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Jugendliche Soldaten der Waffen-SS in amerikanischer Gefangenschaft |
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Deutsche Kriegsgefangene werden von ihren amerikanischen Entführern mit vorgehaltener Waffe zusammengetrieben |
Die Ardennenoffensive im Dezember 1944, auch bekannt als die letzte große Offensive des Deutschen Reiches an der Westfront, ist vor allem für das tragische Ereignis an der Kreuzung von Baugnez bei Malmedy bekannt, bei dem etwa 80 amerikanische Kriegsgefangene ihr Leben verloren. Dieses Ereignis wurde in zahlreichen Dokumentationen, Gerichtsverfahren und historischen Abhandlungen aufgearbeitet und steht symbolisch für die Grausamkeit des Krieges.
Was jedoch in der breiten Öffentlichkeit seltener thematisiert wird, sind vergleichbare Vorfälle, bei denen deutsche Soldaten betroffen waren. Ein solcher Fall ereignete sich am 1. Januar 1945 in der Nähe des belgischen Dorfes Chenogne. Zeitzeugen und spätere Untersuchungen berichteten, dass an diesem Tag mehrere Dutzend deutsche Kriegsgefangene ums Leben kamen. Es handelte sich um Soldaten der Führerbegleitbrigade sowie der 3. Panzergrenadierdivision. Nach verschiedenen Quellen waren an dem Vorfall Einheiten der 11. US-Panzerdivision beteiligt, konkret die Kompanie B des 21. Panzerinfanteriebataillons.
Einige Historiker ordnen das Geschehen als eine Reaktion auf die Vorkommnisse von Malmedy ein. Diese Interpretation wird jedoch von Aussagen amerikanischer Soldaten infrage gestellt, die später berichteten, dass sie zum Zeitpunkt des Geschehens in Chenogne noch keine Kenntnis von den Ereignissen bei Malmedy hatten. Es handelt sich dabei unter anderem um Aussagen der US-Soldaten Max Cohen, Steve Bugden, Frank Hartzell und John W. Fague. Zusätzlich ist anzumerken, dass das Gebiet um Malmedy bis Mitte Januar 1945 unter deutscher Kontrolle stand, wodurch Informationen über das dortige Geschehen möglicherweise nicht sofort bekannt waren.
In verschiedenen Berichten ist zudem die Rede davon, dass es zuvor eine mündliche Anweisung gegeben habe, keine Gefangenen zu machen. Ob diese Anweisung tatsächlich existierte oder wie sie zu interpretieren ist, bleibt bis heute Gegenstand historischer Forschung. Beschreibungen von Augenzeugen deuten darauf hin, dass einige Gefangene gezielt aus dem Sichtfeld der Zivilbevölkerung gebracht wurden, bevor es zu Todesfällen kam. In einem Fall soll ein verwundeter Sanitäter mit erhobener Hand und einer weißen Fahne als erstes betroffen gewesen sein.
Während das Ereignis von Malmedy zu umfangreichen Ermittlungen und internationalen Prozessen führte, gab es im Fall Chenogne keine juristische Aufarbeitung. Historiker und Journalisten wie Christopher Harland-Dunaway, Mark Hennessy oder Antony Beevor haben sich in jüngerer Zeit diesem Thema gewidmet und betont, wie wichtig es ist, alle Seiten eines historischen Konflikts umfassend zu dokumentieren.
Ein ehemaliger Ankläger der Nürnberger Prozesse, Ben Ferencz, äußerte sich später zu den Dokumenten über Chenogne und sagte, dass seine Aufgabe damals auf die Untersuchung nationalsozialistischer Verbrechen begrenzt war. Als er die freigegebenen Akten später las, stellte er fest, dass es Anzeichen für eine unvollständige Aufarbeitung geben könnte.
Berichte aus dem militärischen Archiv deuten darauf hin, dass einige deutsche Soldaten sich US-Einheiten nähern wollten, um sich zu ergeben, dabei jedoch dennoch ums Leben kamen. Andere sollen in abgelegene Waldstücke gebracht worden sein, fernab von möglichen Zeugen.
Die Nachkriegszeit zeigte, dass manche Aspekte des Krieges erst Jahre oder Jahrzehnte später öffentlich diskutiert werden konnten. Einige Historiker vertreten die Auffassung, dass bestimmte Handlungen als Reaktionen oder Ausnahmen interpretiert wurden – eine Sichtweise, die nicht von allen geteilt wird. In jedem Fall zeigen diese Ereignisse die komplexe und oft tragische Realität von Kriegen, in denen Entscheidungen unter extremen Bedingungen getroffen wurden.
Bildnachweis (neutral formuliert):
Oben: Jugendliche Soldaten der deutschen Wehrmacht ergeben sich am 1. Januar 1945 nahe Schillersdorf Einheiten der 7. US-Armee. Quelle: USASC, Foto: Mateusz Pietruszkiewicz.
Mitte: Deutsche Gefangene werden um den Jahreswechsel 1945 in den Ardennen bewacht. Foto: John Florea, LIFE-Archiv.
Unten: US-Soldat Frank Vukasin (331. Regiment der 83. Infanteriedivision) bei Houffalize, nahe Chenogne, am 15. Januar 1945. Quelle: US NARA, Foto: Facundo Filipe.