Am frühen Morgen des 9. April 1940, gegen 7:30 Uhr, spielt sich in Narvik eine Szene ab, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken mag: Deutsche Soldaten verlassen den Zerstörer KMS Wilhelm Heidkamp am Postkai. Doch was wir hier sehen, ist mehr als nur eine gewöhnliche Landung – es ist ein historischer Moment, eingebettet in das große Räderwerk des Zweiten Weltkriegs. Die Männer auf dem Foto sind Teil des deutschen Unternehmens „Weserübung“, einer militärischen Großoperation, mit der das nationalsozialistische Deutschland Norwegen und Dänemark gleichzeitig besetzen wollte, um sich wichtige strategische Positionen in Nordeuropa zu sichern.
Narvik, ein kleiner, scheinbar abgelegener Ort im Norden Norwegens, war aus militärischer Sicht von enormer Bedeutung. Über seinen Hafen wurde das im Winter eisfrei verschiffbare Eisenerz aus dem schwedischen Kiruna transportiert – ein Rohstoff, den die deutsche Kriegsindustrie dringend benötigte, um ihre Panzer, Waffen und Flugzeuge zu bauen. Wer Narvik kontrollierte, kontrollierte gewissermaßen einen der lebenswichtigen Blutbahnen der deutschen Rüstung.
Der Zerstörer Wilhelm Heidkamp, das Flaggschiff der 1. Zerstörerflottille unter dem Kommando von Kommodore Friedrich Bonte, war in der Nacht über den Ofotfjord in den Hafen von Narvik eingedrungen – eine riskante und heimliche Fahrt durch enge Gewässer, immer mit der Gefahr, entdeckt oder beschossen zu werden. Die Landung der Soldaten verlief zunächst planmäßig und nahezu ohne Widerstand: Norwegische Kräfte waren überrascht und schlecht vorbereitet, viele norwegische Offiziere wurden im Schlaf gefangen genommen.
Doch die Ruhe währte nicht lange. Nur einen Tag später, am 10. April 1940, erfolgte ein britischer Gegenangriff: Eine kleine Flottille britischer Zerstörer drang überraschend in den Fjord ein und lieferte sich ein erbittertes Gefecht mit den deutschen Schiffen. Die Wilhelm Heidkamp wurde dabei schwer getroffen – ihre Munitionskammer explodierte, das Schiff sank, Kommodore Bonte und dutzende Seeleute starben.
Die Schlacht um Narvik zog sich über Wochen hin, zu Land und zu Wasser, mit bitteren Verlusten auf beiden Seiten. Deutsche Gebirgsjäger kämpften gegen alliierte Truppen, darunter norwegische, britische, französische und polnische Soldaten. Die eisige, zerklüftete Landschaft wurde zum Schauplatz eines erbarmungslosen Kleinkriegs.
Das Foto vom Verlassen des Zerstörers zeigt einen Moment des Übergangs – vom Plan zum Ernstfall, vom Befehl zur Realität. Es erinnert daran, wie ein scheinbar kleiner Ort wie Narvik durch geopolitische Interessen ins Zentrum eines globalen Konflikts rücken konnte. Und es wirft ein Licht auf die Soldaten, die Teil dieser gewaltigen Maschinerie waren – Männer, die nicht ahnten, dass sie sich nur wenige Stunden später in einem tödlichen Gefecht wiederfinden würden.